Das Konzept klingt erneut verlockend – und wird wöchentlich nur an zwei Abenden und dann jeweils auch nur maximal sechs Gästen zugänglich: “Ernst is a private kitchen in Berlin where seasonal menus serve as a showcase of local farmers’ produce. We believe it is our task to honour the ingredients by bringing out their most delicious characteristics and to tell their story by telling ours.”
Hyperlokale und regionale Küche. In unserem Fall sogar im Wesentlichen reduziert auf die Produkte eines kleinen Hofes im Berliner Umland. Mit aller größter Finesse und unfassbar viel Liebe für jedes Detail, vor allem für jedes Produkt, zubereitet.
Das Setting schwankt zwischen Supperclub (immerhin findet das Dinner in den privaten Räumen von Dylan statt) und hoher Professionalität mit insgesamt vier Personen in Service und Küche. Letztere ist stark beeinflusst von der Philosophie Japans. Denn hier hat Dylan seine ersten Lehrjahre im mit drei Sternen gekrönten Ryugin verbracht, bevor es ihn nach New York ins Per Se, Daniel und ins Eleven Madison Park zog und von dort dann schließlich noch ins Noma nach Kopenhagen.
Uns erwartet ein Menü mit weit über zwanzig kleinen Gängen (100€) sowie eine Weinbegleitung – alternativ kann das Menü auch mit passenden Craft-Bieren kombiniert werden. Die ersten zehn Teller widmen sich nahezu ausschließlich saisonalem Gemüse.
So einfach und klar die Teller auch aussehen – jeder ist für sich grandios. Extrem viel Technik und Aufwand in der Zubereitung steckt in nahezu jeder kleinen Köstlichkeit. Die Garmethode, die zusätzliche Komponenten – immer gibt es eine Geschichte zu erzählen und zu erläutern. So werden die jungen kleinen Kartoffeln über Stunden bei ganz niedriger Temperatur gegart und entfalten so ein unglaublich intensives, dennoch leichtes und frisches Aroma. Sie kommen zusammen mit Chips von Kartoffeln aus dem letzten Jahr auf den Teller. Die kleine Spreewaldgurke ist mariniert in einem Gelee aus selbstgezogenem Apfelessig. Sensationell ist auch der getrocknete Rhabarber, der mit salzig rauchigem Speck kombiniert wird.
Und es geht großartig weiter. Mit Sashimi vom Seesaibling. Gefangen in einem kleinen See nahe der Stadtgrenze und vor Ort nach der Ikejime Methode getötet. Anschließend ruht er für fast vier Tage, bevor er leicht angeräuchert den Weg auf unsere Teller findet und seine ungewöhnliche Textur preisgibt.
Es schließen sich weitere spannende Gerichte an. Besonders zu erwähnen dabei die Entenbrust, die dank schonender Sous-vide Behandlung unglaublich zart ist, die Haut dabei hauchdünn und knusprig. Ebenso sensationell ist das sechs Stunden lang gekochte Ei. Auch hier ist das Produkt der Star. Es wurde von hormonfrei aufgezogenen Hühnern gelegt, die nur in den helleren Monaten des Jahres Eier legen.
Ein Abend im Ernst ist ein ganz besonderes Erlebnis. Kaum eine Küche trifft so sehr meinen Geschmack, was die Fokussierung auf gute Produkte und den jeweils idealen Prozess der Zubereitung angeht. Dabei ist über die Jahre eine stetige Weiterentwicklung erkennbar. Die Prozesse werden ausgefeilter, viele der zusätzlichen Komponenten sind mittlerweile hausgemacht und auf Basis lokaler Produkte hergestellt. Die große Nähe zu Küche und Team machen einen zusätzlichen Reiz aus. Gleichzeitig legt all das, was diese kleine Küche im Berliner Wedding verlässt die Latte für andere Restaurants, die sich ebenfalls lokaler und produktfokussierter Küche verschreiben, so viel höher…