Um den Kosmos von Gérard Bertrand und des Château L’Hospitalet zu entdecken und zu verstehen, sollte man ausreichend Zeit mitbringen. Deutlich mehr, als die 30 Stunden, die ich unlängst auf dem Anwesen verbracht habe. Aber es war ein ganz besonderer Anlass, der mich ins Languedoc gebracht hat. Eine Einladung, die man unter keinen Umstände ausschlagen sollte: Die inoffizielle Eröffnung des Moon Rooms, eines neuen multisensorischen und hochexklusiven Restaurantkonzeptes, eingebettet in das wunderschöne Château, umgeben von Weinhängen – Blick auf das Mittelmeer inklusive.
Gérard Bertrand betreibt in nun dritter Generation das Unternehmen im Familienbesitz. Wobei über die Zeit aus einem Château mittlerweile 18 Häuser und noch sehr viel mehr Weingärten wurden. Allen gemein ist der konsequent biodynamische Anbau. Bertrand hat sich bereits 2002 den Lehren von Rudolf Steiner verschrieben und setzt diese auch bei allen Zukäufen binnen kürzester Zeit um.
Dieser biodynamische Ansatz setzt das tägliche Arbeiten in den Weinbergen ohne chemische Mittel und unter Berücksichtigung von Leben und Biodiversität voraus, so dass sich Mikroorganismen im Boden entwickeln können und das Gleichgewicht der Pflanzen erhalten bleibt. Die Weinrebe erhält die vom Winzer vorbereiteten Präparate in Form von Pflanzenaufgüssen und Dekokten, die, nachdem sie dynamisiert und in unendlich kleine Mengen verdünnt wurden, im Rhythmus des Sternenkalenders angewendet werden.
Mitunter kann dieser Prozess etwas Zeit in Anspruch nehmen. Bei dem großartigen Clos d’Ora dauerte es nach dem Erwerb und der Umstellung ganze 17 Jahre, bis der erste Wein abgefüllt wurde. Eine echte Herzensangelegenheit. Und einer meiner ganz besonderen Favoriten.
Eine weitere große Herzensangelegenheit ist für Gérard Bertrand auch der neue Moon Room, zu dessen erster Aufführung ich angereist bin. Als Gast betritt man zunächst den Gastraum des Restaurant L’Art de Vivre, der an diesem Frühlingstag in helles, warmes Sonnenlicht getaucht ist und einen sensationellen Blick über sich meilenweit erstreckende Weinberge, sanfte Hügel und das Meer eröffnet. Um so harscher der Kontrast: Der Moon Room ist komplett abgedunkelt, keine Fenster, schwarze Wände. Lediglich die Installation des Planetenhimmels spendet Licht.
In der Mitte des Raumes bietet ein runder Tisch Platz für bis zu 12 Gäste, wobei der Room stets Gruppenweise (ab vier Personen) gebucht wird. Die Preise schwanken entsprechend je nach Teilnehmerzahl zwischen 350 – 390€ pro Person, inklusive der gereichten Weine, die essentieller Teil des Konzeptes sind. Weitab der klassischen Weinbegleitung sind die Weine für jedes Quartal im Moon Room fest gesetzt, viel mehr sind es die Gerichte und Komponenten, die sich nach Saison und Marktlage ändern.
Der runde Tisch steht im Kontext des Raumes symbolisch für die Erde und stellt so das Zentrum des uns umgebenden Sonnensystems dar. Die Gäste entdecken während des Menüs schrittweise, wie jeder Planet des Sonnensystems alle Lebewesen beeinflusst. Dies ist eines der Grundprinzipien der Biodynamik.
Rudolf Steiner hat den Einfluss der Sterne auf den Lebenszyklus und die ständige Transformation der Lebewesen beschrieben. Er wurde von Goethe inspiriert, dem Vater der Pflanzenmetamorphose.
Die ganzheitliche Sinneserfahrung im Moon Room besteht aus der Kombination von Aromen, Farben und Texturen von Speisen und Weinen, aber auch von Musik und Licht, und durchläuft so einen gesamten Zyklus der Metamorphose. Wobei Musik hier ein großes Wort ist. Zum Auftakt wird eine klare Bouillon gereicht um den Gaumen zu neutralisieren. Den gleichen Effekt auf Geist und Sinne soll hier eine tonale Frequenz von 528Hz leisten. Quasi ein Reset, vor dem eigentlichen Start.
Das eigentliche Menü findet seinen Auftakt dann mit einem Gericht, das den Mond thematisiert: Auster Nr.1 vom Mas Soula im Lauchmantel gekocht, Kartoffelschaum, Toast-Bouillon, Dillöl, Fleur de Caviar. Dies ist eine erste Antwort auf meine zentrale Frage: Was kommt denn nun bei all diesem theoretischen Überbau auf den Teller. Glücklicherweise stellt sich direkt bei der ersten Gabel Beruhigung und Zuversicht ein. Denn dies ist direkt ein ziemlich großartiges Gericht, die große Auster von außergewöhnlicher Qualität. Die Bouillon zeichnet sich durch extrem starke rauchige Aromen und schafft eine sehr gute Verbindung der Komponenten.
Dazu passt sehr gut der Cigalus blanc 2019 aus Aude Hauterive, wie fast alle Weine im Menü aus der Magnumflasche serviert. Die begleitende Musik wird noch etwas tiefer gestimmt und tönt nun in der Frequenz des Mondes bei tiefen 210 Hz.
Beim nächsten Gang wenden wir uns dem Merkur zu, dessen Planet nun grün über dem Tisch leuchtet (und weswegen ich hier auf ein Pressebild des Ganges zurück greife). Dazu spielt eine Flöte zarte Interpretationen der Werke von Kitarō, im Glas ein Crémant de Limoux aus 2015, der offiziell nicht im Handel erhältlich ist. Glasiertes Salatherz, Cremesuppe mit Brunnenkresse, Perlgraupen-Koji und Celeyran-Rübe sind die Protagonisten des Ganges.
Wir wenden uns nun der Venus zu, sowie einem 2020er Clos du Temple, gerade erst vom Global Rosé Masters of Drinks zum besten Roséwein der Welt gekürt. Bei einem Flaschenpreis im Handel von über 200€ eine beruhigende Auszeichnung. In der Tat aber ein sehr komplexer, tiefer Rosé, basierend auf den vier roten Rebsorten Grenache, Cinsault, Syrah, Mourvèdre und der weißen Rebsorte Viognier.
Küchenchef Laurent Chabert serviert dazu einen Ike Jime Seebarsch von Port la Nouvelle, in Salz gegarte Rote Bete, Pistaziencouscous und Osietra Kaviar von Sturia.
Mit Rückenfilet von der Zahnbrasse aus dem Mittelmeer folgt ein weitere Fischgang. Dieser Gang bringt dann intensive Aromen vom Mittelmeer auf den Teller. Gelierte Zitronatzitrone und Zesten sowie Schwarzwurzel balancieren den in rotem Mais-Miso marinierten Fisch sehr elegant aus. Auch hier passt der Wein perfekt und unterstreicht das Gericht und insbesondere dessen ätherischen Zitrusnoten. Der 2021 Villa Soleilla ist der Premium Orange Wine des Hauses. Wobei hier nur ein Drittel der Menge in der Amphore vergoren wird und später mit den klassischen ausgebauten Mengen als Cuvee kombiniert wird.
Passenderweise erstrahlt nun thematisch die Sonne über uns- und auch die musikalische Kombination mit Mesopotamischen (An-)klängen macht Sinn und Spaß: Jarl Flamar & Olkan.
Sommelier Pierre-Alexis Mengual navigiert die Gäste gekonnt durch die komplexen Themen und Weine des Menüs und erläutert die Zusammenhänge.
Ein Filet vom Aubrac-Rind, 28 Tage lang (natürlich: einem Mondzyklus entsprechend) trocken gereift mit Pak Choi, Ingwer und Chili ist dann der erste Fleischgang des Menüs. Die Kombination von Rindfleisch und Kaviar ist ein Klassiker. So berichtet Gérard Bertrand, der mit uns an diesem Mittag am runden Tisch sitzt, von einem bleibenden Eindruck von eben dieser Kombination, damals allerdings zubereitet von Alain Ducasse im Londoner Dorchester. Aber auch hier im Süden Frankreichs ist diese luxuriös salzig-jodige sowie zart nussige Ergänzung zum Rind dank üppiger großer Nocke fabelhaft. Im Glas dazu ein Aigle Royal Pinot Noir aus 2018.
Ein tiefer Blick durch das kostbare Murano-Glas, in dem der 2007er Corbieres-Boutenac La Forge serviert wird – im Hintergrund Chef Gérard Bertrand und Journalistin Alexandra Kilian.
Im Zeichen des Saturns steht dann das Lamm “El Xai” mit Einkorn-Risotto, Harissa, Brouscreme und Kräutern. Perfekt gegart und erneut von beindruckender Qualität und auch hier eine sehr passende Abstimmung auf den Wein, der die orientalische Aromatik kraftvoll unterstützt.
Das Menü schließt mit einem weiteren großen Wein, dem 1977er Legend Vintage Rivesaltes und einem Soufflé mit Valrhona Guanaja, Birnenherz mit Whiskey und einem Eis mit gegrillter Madagascar-Vanille sowie einigen Petit Fours.
Nach guten drei Stunden fällt der Vorhang im Moon Room des Château l’Hospitalet Wine Resort in Narbonne. Es ist ein spannender Ansatz und eine weitere Verbeugung von Gérard Bertrand und seinem Team vor den Abläufen und Rhythmen der Natur. Gleichzeitig eine perfekte Bühne um diese Ideen mit Gästen zu teilen und Wissen zu vermitteln. Die Reduktion der äußeren Eindrücke und der Fokus auf Gerichte und Weine ist konsequent und verzichtet auf komplexe Installationen und multimediale Showeffekte wie bspw. im Ultraviolet in Shanghai. Die Verbundenheit mit der Natur steht eben auch hier im Zentrum.
Am tiefsten lässt es sich in diese Welt eintauchen, wenn man einige Nächte in einem der schönen Zimmer im Château verbringt. Besonders einladend sind die 11 Zimmer in der Villa Soleilla, einem separatem, vom Hauptbereich abgetrennten, Luxustrakt mit eigenem Pool und direktem Zugang zum Spa. Vor den Balkonen erstrecken sich die Weinberge des Anwesens, sanfte Hügel, in der Ferne schweift der Blick bis zum Mittelmeer. In den Sommermonaten öffnet direkt am Strand dann auch das Restaurant L’Hospitalet Beach – ein perfekter Kontrast zum Moon Room.
Château l’Hospitalet
Route de Narbonne Plage
11100 Narbonne