Kochfreunde.com

Kochfreunde.com ist das kulinarisches Magazin von Oliver Wagner. Hier dreht sich alles rund um die beinahe schönste Sache der Welt: Gutes Essen. Dabei reicht der Fokus von Berichten über spannende Restaurants bis hin zu Rezepten aus der eigenen Küche, Kochbücher und kulinarische Gadgets.

Pas Mus, Vilnius

Informal Contemporary Dining bei Vita Bartininkaitė

Wonach suchen wir, die wir uns gerne mit Restaurants oder Gastronomie befassen? Suchen wir überhaupt, oder finden wir? Kennen Sie das Gefühl, auf ein Restaurant oder einen kulinarischen Moment zu stoßen, der ungemein berührt und gleichzeitig die Antwort auf meine vorherigen Fragen ist?

Ganz gleich wie Ihre Antwort ausgefallen ist, meine heißt heute Pas Mus. Litauisch für „bei uns“. Es war das vierte der neuen Michelin besternten Restaurants in der litauischen Hauptstadt, das ich neulich besucht habe. Vita Bartininkaitė betreibt das kleine, von außen fast unscheinbar wirkende Lokal, gemeinsam mit einem nur vierköpfigen Team. Und alleine dieser Spot ist aus meiner Sicht Grund genug umgehend den nächsten Flug nach Vilnius anzutreten.

Es gibt kein festgeschriebenes Menü, die einzelnen Gänge werden von der Verfügbarkeit der Produkte bestimmt – klassisches Carte blanche Prinzip. Ebenso gibt es keine feste Weinbegleitung. Letztere entsteht bei Sommelière Monika Apčinikovaitė eher im individuellen Dialog mit dem jeweiligen Gast – und natürlich in Abhängigkeit von den gerade offenen Flaschen. Der Schwerpunkt liegt vor allem in Frankreich. Kein Wunder eigentlich, denn dort verbrachte Monika viele Jahre in renommierten Häusern, bevor es sie wieder zurück in die Heimat zog.

Das Menü startet mit einem Teller fermentierter Früchte und eingelegten Gemüsen, vor allem zu erwähnen die grünen Erdbeeren und die gepickelte Tomate.

So schön der Gastraum auch ist, kerzenbeschienen, luftig und offen, so viel besser sitzt es sich direkt an der Küchentheke. Der Blick auf das Wesentliche – und stets die Option das ein oder andere Detail zu erfragen. Wie zum Beispiel die Provenienz der Austern, auf denen hier gerade etwas Lardo angeschmolzen wird: Huȋtre plate aus der Bretagne werden an diesem Abend serviert. Zusammen mit dem zarten Schmelz und erhöhtem Fettanteile ein guter Begleiter zu einem ersten Glas Champagner, das aktuell im Glas ist.

Auch bei Vita Bartininkaitė darf ein Blick zurück an Kindheitsgerichte nicht fehlen. Das klassische dunkle Brot Litauens Daujėnų duona, hier mit Kümmel, kommt zusammen mit Radieschen, Nussbutter, Salzflocken und Sauerrahm mit Bärlauch-Öl auf Tisch und Theke.

In Vilnius sind momentan Tartelettes schwer angesagt und quasi in allen besternten Menüs zu finden. Das ist aber gar nicht schlimm, ganz im Gegenteil, bilden sie doch eine ideale Basis für schöne Füllungen. Wie in diesem Fall auf Basis von Pfifferlingen, einem Kartoffelschaum und gehobeltem Eigelb. Darauf ein kleiner Berg geräucherter Džiugas Käse.

Bevor das Pas Mus vor vier Jahren in die Räume an der Pilies-Straße zog, die älteste und schmuckvollste Straße in der Altstadt, war hier eine Pizzeria ansässig. Eine kleine Reminiszenz an den Vorgänger ist die Jakobsmuschel-Pizza. Während ich noch fotografiere höre ich bereits begeistere Töne von den Thekenplätzen neben mir. Die Tischnachbarn liegen goldrichtig: Das ist schlicht und sensationell. Auf dem hauchdünnen Teig ist zunächst eine Pilzcreme aufgebracht, darüber eine hausgemachte Tamari-Sauce, eine weizenfreie Sojasauce. Obenauf dann die kühlen, üppigen Scheiben der Jakobsmuschel.

Es geht mit einem weiteren Highlight weiter: Ein grob geschnittenes Tatar von 70 Tage gereiftem Rind mit Dashi aus eigenem Koji-Shio (aus Steinpilzen). Dazu eine sehr gereifte Butter, die mich ob ihrer Intensität an die Sensations-Butter im Fäviken erinnert. Das Trio wird durch warmen Brioche komplettiert. Butter, Brioche, Tatar – jeder Biss ist leicht anders, ganz in Abhängigkeit der Proportionen der drei Komponenten.

Vor dem Finale wird das Vintage Second Hand Geschirr (mag ich übrigens sehr) mit einem kleinen Palate Cleanser gereicht: Ein Eis aus Tomatenwasser und -blättern. Leicht, cremig, den salzigen Akzent steuert ein sibirischer Zuchtkaviar bei. Während wir am Tresen noch vom Tomateneis schwärmen, holt Vita eine weitere Kreation aus dem Kühlhaus: Spargeleis!

Pur und so gut: Die lange gereifte Entenbrust mit Entenjus. Keine weitere Zutat hat der reduzierte Fond auf seiner Reise gesehen. Aus zwanzig Litern Flüssigkeit auf 500ml reduziert. Intensiv und voll. Eingelegte Stachelbeeren halten den Teller mit leichter Säure in der Balance. Glücklich, wer noch ein kleines Stück vom Daujėnų beseite gelegt hat, um den Nachschlag der Sauce damit aufzusaugen.

Ein geschabtes Eis von der Kirsche mit fermentierten Rosenblättern, sowie ein Mousse von der Eberesche mit getrockneten Äpfeln und Rumpflaumen beenden das Menü, können dabei nicht ganz an das so wahnsinnig starke Eis von der Tomate oder Spargel anknüpfen.

Der Abend im Pas Mus Restoranas hat mich berührt. Von den vielen fabelhaften Restaurants, die wir in den vier Tagen in Vilnius besucht haben, wird es mir am längsten im Gedächtnis bleiben. Küchenchefin Vita ist extrem konsequent in ihren Ideen, dabei ist die Verbindung zum Ort und zur Jahreszeit stets spürbar. Es fehlen erfreulicherweise viele Manierismen, die Restaurants auf diesem Level gerne entwickeln. Der Austausch mit dem ganzen Team ist durchweg freundschaftlich und authentisch, es fehlen alle Auswendig gelernten Erklärungen zur Herkunft und Zubereitung der Produkte (auf Nachfrage kann man natürlich viele erfahren). Es fühlt sich aktuell wie ein noch leicht ungeschliffener Diamant an, auf die positivste Art und Weise. Mich erinnerte der Abend an die frühe Phase des Ernst in Berlin, als es noch an unterschiedlichen Orten der Stadt als Pop-Up betrieben wurde. In diesem Kontext hat das Pas Mus absolut das Zeug, sich auch zu einem Destination-Dining-Spot zu entwickeln – oder vielmehr entsprechend international wahrgenommen zu werden. Ein Restaurant, wegen dem man eine Reise antritt. In dem Fall sollte man gleich ein paar Tage einplanen, denn auch sonst gibt es in Vilnius viel zu sehen und zu entdecken…

Eine Übersicht über alle weiteren besuchten Restaurants findet sich nebenan bei Stevan Paul:
Vilnius – eine kulinarische Reise in 16 Stationen

Detaillierte Berichte zu den weiteren Sterne-Restaurants in Vilnius bei den Kollegen Sternefresser:
Pas Mus – pures Litauen
Nineteen18 – ein Stern, ein Horn
Dziaugsmas – Freude

Seite des Tourismus Office von Go Vilnius
airBaltic Flüge von Deutschland buchen

Offenlegung: Dieser Bericht entstand im Rahmen einer Pressereise. Go!Vilnius gehört zu den Kunden unserer Agentur Kaiserhappen.

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