Viel zu lange liegt der letzte Besuch in der Friedrichstraße in Berlin-Kreuzberg zurück. Dabei gibt hier es so viel Neues zu entdecken und womöglich zu berichten: Das Nobelhart & Schmutzig erfindet sich in diesen Tagen neu und stellt viele der klassischen Fine-Dining-Paradigmen auf den Kopf. So halbiert sich der Preis für das Menü seit April 2024! Gleichzeitig reduziert sich auch die Anzahl der Gänge deutlich. Jüngst verkündete das Restaurant rund um Wirt Billy Wagner zudem, dass Micha Schäfer, der seit dem Start 2015 als Küchenchef fungierte, diesen Titel nun aufgibt und sich eher der kulinarischen Leitung widmet.
An diesem Abend im April steht eine Speisefolge mit fünf Gängen auf der Karte, zum neuen Menüpreis von 115€. Zudem gibt es verschiedenen Positionen, dieses kompakte Menü noch weiter zu ergänzen:
- Brotzeit mit Roggensauerteigbrot von Florian Domberger (Olaf Schnelle)
- Radieschen / Bechamel / Meerrettich (Markus Heyermann)
- Käsespätzle / Röstzwiebeln (Stefan Raffe)l
- Weidehuhn / Porree / Koriandersaat (Lars Odefey)
- Röstmalz / Heidelbeere (Cholena de Koningh)
Die Ergänzungen (klar, wie wählen natürlich alle) beinhalten:
- Grüner Spargel / Wildkräuter (Juliane Winkler & Jens Halligalli) für 30,00 Euro
- Creme Caramel / Kamille (Maria Gimenez) für 20,00 Euro
Das neue Konzept trägt dem großen Problem vieler Sternerestaurants in Berlin (aber auch bundesweit) Rechnung: Die Gäste kommen nicht mehr ganz so zahlreich, zumindest weniger planbar und verlässlich. Die Umbrüche, die dieser Wandel ausgelöst hat, kann man an vielen neuen Ideen und Initiativen erkennen. So mutig wie die Reduktion des Menüpreises um 50% ist allerdings sonst keine. Allerdings: Das Nobelhart & Schmutzig kann das verkürzte Menü nun über zwei Seatings servieren, durch die Upgrades und die Option an mehrfach besetzen Plätzen am langen Tresen liegt hier viel Potenzial. Wenn dies am Ende dazu führt, dass die Spitzenküche so auch wieder zugänglicher für andere Zielgruppen wird, geht dieser Plan auf.
Kulinarisch tut er das. Der Start mit einer Brotzeit ist eine pure Produktschau ausgewählter Produzenten und ein geselliger Einstieg in den Abend. Genug Zeit um die Weine für den weiteren Verlauf zu besprechen und in der nach wie vor trubeligen Atmosphäre anzukommen. (Aus bekannten Gründen finden sich hier nur wenige Bilder der einzelnen Gänge).
Die Radieschen vermeintlich einfach, aber eben doch komplex mit zart schmelzender Bechamel und gebräunter Butter.
Der zusätzliche Gang mit dem grünen Spargel glänzt nicht nur durch exzellent Produkte (hier von Juliane Winkler), sondern auch durch eine intensive und tiefe grüne Sauce und die zahlreichen Wildkräuter.
Käsespätzle mit Röstzwiebeln sind eine Referenz für ein an Referenzen armes Gericht aus der süddeutschen Küche. Schlotzig aber fest, intensiv und üppig. Das Weidehuhn von Lars Odefey ist wie immer eine Freude, hier perfekt gebraten und saftig. Und auch die beiden Desserts machen große Freude. Kurzum: Auch in der verkürzten Zeit lassen sich viele Highlights erleben, das Konzept und die Liebe zu Produkt und Produzenten steht weiterhin klar im Fokus. Dieser klare Fokus, auch das ist beim Alten geblieben, bedingt aber auch die Absenz klassischer großer Saucen, komplexer Gartechniken oder Fermentationen – Purismus first. Und das durchaus im positivsten Sinne.
Wer doch etwas mehr Zeit mitgebracht hat, findet gemeinsam mit Billy Wagner bestimmt noch die eine oder andere Rarität im Weinkeller, um den Abend an der Theke noch etwas länger genießen zu können.
Ungeachtet des neuen Konzeptes konnte das Nobelhart & Schmutzig auch in der 2024er Edition der World´s Best Restaurant eine sehr guten 40. Platz erreichen. Lediglich das Restaurant Tim Raue liegt, aus deutscher Sicht, noch weiter vorne.