Wir kehrten zum Lunch in das erstaunlich geräumige, um eine ebenso groß dimensionierte Küche arrangierte Restaurant, ein. Zwei Menüs stehen zur Auswahl, für den kleinen Appetit das Menú Disfrutar (68€) und das insgesamt 26 kleine Teller umfassende Menú Festival (98€), für das wir uns entschieden.
Die Atmosphäre ist geschäftig und zugleich sehr relaxt. Wozu sowohl der große und tagsüber lichtdurchflutete, an einen großen Innenhof grenzende, Gastraum beiträgt, als auch das geschäftige aber auch freundlich entspannte Serviceteam. Eine Weinbegleitung zu den Menüs gibt es nicht, allerdings eine sehr umfangreiche Weinkarte mit zahlreichen offenen Positionen. Wir starten mit einer Flasche Cava und den ersten Gängen in den Mittag.
Selbst wenn man das elBulli nicht besucht hat, so erkennt man vielleicht doch direkt die ein oder anderen damals regelmäßig kolportierten erste Klassiker wieder. Sowohl die transparenten Ravioli als auch die sphärifizierten Oliven gehörten zu den Klassikern in Roses. Und zu recht. Beides Gerichte, die typische Vertreter der molekularen Küche sind, bei denen diese aber nicht zum Selbstzweck dient, sondern großartige Aromen und Texturen hervorkitzeln. Die Ravioli, die vor dem Verzehr für einigen Sekunden in einem Parmesan Sud getunkt werden, bringen die geschmackliche Essenz eines perfekten Pestos auf den Gaumen. Und behalten gleichzeitig die Texturen der Komponenten Basilikum, Pinienkerne und Parmesan bei. Ähnlich verhält es sich bei den Oliven. Der zarte Mantel besteht aus Kokosbutter. Im Mund zerfließt die Olive und gibt seinen einen intensiven, flüssigen Kern preis, der ein konzentriertes Aroma von Olive (nicht Öl) verströmt.
Das Ei ist eines der weiteren Highlights in diesem Menü. Ei und Pilz sind ohnehin eine sichere Kombination, in diesem Fall spielen erneut die Texturen beim Zugang zum Aroma eine große Rolle. Das weiche Eigelb ist von einer knusprigen Hülle ummantelt, darunter ein sehr intensives Gelee aus Pilzfond. Fabelhaft.
Das erste und eigentlich einzige Gericht in dem die technisch komplexe Zubereitung mehr ein Gag, denn ein echter Beitrag zum Geschmackserlebnis ist, sind die Macaroni Carbonara. Die Pasta sind eben nicht aus Wasser, Mehl und Ei, sondern aus einer Gelantine geformt. Die Produktion ist sicherlich aufwändig und die Idee auch hübsch – allerdings zeichnet sich authentische Pasta auch dadurch aus, dass sie so produziert ist, das möglichst viel Sauce an ihr haften bleibt. Genau das passiert hier nicht, Sauce und molekulare Pasta wollen keine allzu enge Verbindung eingehen. So dringt zwischendurch immer wieder der Nichtgeschmack der transparenten Röhrchen durch und irritiert etwas. In seiner Präsentation und Zubereitung am Tisch dennoch ein optisch sehr ansprechendes Gericht.
Und kaum ist man bei den kritischen Aspekten angekommen, kommt direkt der einzige echte Ausrutscher des Menüs: Rohes oder leicht eingelegtes Gemüse, jeweils von einem speziellen Gewürz begleitet. In vordefinierter Reihenfolge zu essen. Weder besonders lecker, noch so raffiniert, wie die Beschreibung es vielleicht vermuten lassen würde.
Es folgten fünf Fischgänge. Alle zwischen gut und sehr gut. Allen gemein ist, dass sie den Fisch bzw. die Muscheln jeweils mit neuen, teilweise ungewöhnlichen Partnern kombiniert haben. Besonders hervorzuheben sind die Muscheln mit Erbsen (auch hier keine echte Erbse, sonder erneut kleine Sphären, die im Mund zerplatzen und köstliches, frisches Erbsenaroma verbreiteten). Ebenfalls auch optisch ein Highlight. Ebenso die Rotbarbe unter dem leichten Mantel aus Guanciale.
Die hauchdünnen Scheiben vom Rind und Foie Gras führen das im Disfrutar übliche Esswerkzeug etwas an die Grenzen: Mit der Pinzette soll der Gast kunstvoll eine Ravioli formen, die Foie Gras sanft in das zarte Fleisch einschlagen und dann Richtung Mund wandern lassen. Hört sich in der Theorie schwierig an, in der Praxis ist es nahezu unmöglich. Lässt man diesen Aspekt außer Acht ist dies ebenfalls ein fabelhafter Teller und ein würdiger Abschluss der herzhaften Gänge.
Auch bei den Desserts zeigt sich immer wieder die spielerische Leichtigkeit und die Lust an kunstvoller Präsentation, die ein Menü hier so aussergewöhnlich macht. Die Mandarine weckt in ihrer gefrorenen Schale bei mir direkt Urlaubserinnerungen aus Kindertagen in Spanien oder Italien. Die Füllung ist natürlich ungleich raffinierter und setzt sich aus einem Semifredo und einem leichten Gelee zusammen. Und auch die kleinen Corneto mit Cheescake Füllung sind nicht nur wunderschön, sondern auch köstlich. Knackig, fruchtig, eher frisch als süß.
Es ist eine echte Reise, auf die Oriol, Eduard und Mateu ihre Gäste mitnehmen. Eine Reise mit vielen Höhepunkten, ganz wenigen kleinen Ausrutschern und spannenden kulinarischen Entdeckungen, Zitaten und Refernzen an die Zeit des elBulli – aber auf eine erfrischende Weise auch darüber hinaus. Sollten Sie zufällig demnächst in Barcelona weilen und einen Tisch ergattern können: Nichts wie hin. Es lohnt sich!