Während ich mich auf den Weg in den Kreis 11 mache, versinkt langsam und eindrucksvoll die spätsommerlich Sonne über Zürich. Hier im Stadteil Oerlikon liegt das Swissôtel. Mit einer Höhe von 85 Metern und 32 Stockwerken ist es das höchste Hotelgebäude in Zürich. Die Architektur stammt sehr offensichtlich aus den frühen 70er Jahren, heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Seit rund einem Jahr leitet Sascha Friedrichs die Geschicke der Gastronomie als Executive Chef. Zu seinem Refugium gehört das Casual Fine Dining Restaurant Le Muh – und vier Mal im Jahr, für jeweils 10 Tage, auch das Pop-Up Konzept Studio 31 im Penthouse des Gebäudes. Hier wird ein festes Menü zu wechselnden Themen angeboten (CHF 119.00, Weinbegleitung CHF 79) . In der letzten Woche öffnete das Studio 31 im Rahmen der Food Zürich – und passenderweise drehte sich das Konzept in diesem Fall rund um die Schweiz.
Der Blick über Zürich ist aus 85 Meter Höhe nicht weniger als sensationell – vor allem wenn langsam die Sonne untergeht und dazu ein Glas Riesling-Sekt und erste Snacks gereicht werden. Seit 1996 gibt es hier oben kein Restaurant mehr. Nach einem tragischen Feuer musste der Panorama-Grill damals aufgegeben werden und klassischen Meetingräumen weichen. Schön, dass hier jetzt wieder gekocht wird.
Sascha Friedrichs ist über den gesamten Verlauf des Abends sehr präsent und serviert nahezu alle Gänge selbst. Dabei hilft sicherlich die übersichtliche Zahl von maximal 31 Plätzen im Restaurant. Den Auftakt machen dabei vier kleine und sehr gelungene Snacks, das Starterkit, wie es hier heißt.
Es folgt ein Gruß aus der Küche: Forelle in Zitronenöl mariniert und zart abgeflämmt. Gewürzt mit Piment d’Espelette. Dazu ein Weinbergpfirsich in Fischsauce mit Knoblauch und Chilli, Rote Beete Baiser, Giallo Melone und Essigschalotte, getränkt in Holunderblütensirup mit Lemon Squash und grünem Tabasco. Man merkt: Hier ist sehr viel los auf den Tellern. Sascha Friedrichs Küche spielt mit Aromen und Komponenten und lässt so ganz neue – und in diesem Fall wirklich sehr spannende neue Kombinationen entstehen. Ein sehr guter Einstand in den Abend.Der leider beim ersten offiziellen Gang auf der Karte nicht fortgeführt wird: Am Knochen gereiftes Kalbsfilet mit Kalbstatar, Sancho Pfeffer Baiser, geklärte Butter mit Passionsfrucht, Selleriepüree, Kalbslebercreme, Kalbsspeck, Schnittlauchblüte, Silberzwiebel in Himbeeressig und getrocknete Passionsfruchttomaten. Ohne Frage ist das Charolais ein hervorragendes Produkt, mir gefiel allerdings die Konsistenz des Tatars auf dem Kalbsfilet und die Kombination mit der geklärten Butter nicht wirklich. Am Gaumen wirkt das deutlich zu buttrig, zudem dominierten die vielen süßen Komponenten und insgesamt ging das Kalb etwas unter. Das ist aber natürlich ein rein subjektiver Eindruck – handwerklich ist das alles sehr akkurat gearbeitet.
Der nächste Gang ist dann wieder sehr stark. Saibling an Erbsen- und Speckcreme, Kaviar, Finger Limes, süß-sauere Gurke, gepuffter Quinoa, Bohnen, Erbsen, Nashibirne und ein Stück vom Schweinebauch. Hier gehen die Aromen und Texturen sehr gut zusammen. Sowohl der zarte Saibling als auch das Schwein harmonieren sehr gut mit dem grünen Gemüse.
Als Hauptgang steht eine Appenzeller Freiland Entenbrust auf dem Menü. Dazu konfiertes Bio Eigelb, Pfifferlinge und geräucherter Entenjus. Die Sauce ist hier der Star auf dem Teller. Über drei Stunden wurde dieser aus der Karkasse der Ente gekocht und sehr stark reduziert. Die Raucharomen sind sehr präsent und aufgrund der starken Aromatik ist es konsequent und nachvollziehbar, das hier ganz ohne Salz gearbeitet wurde. Die Pfifferlinge und das konfierte Eigelb bzw. Onsen-Ei bilden fast ein in sich stimmiges, eigenes Gericht. Die Präsentation wäre noch etwas hübscher, wenn das Eigelb wirklich konsequent vom leicht gestockten Eiweiß befreit worden wäre. Abgesehen davon ein sehr gelungener, komplexer und tiefer Gang mit leichter schärfe und hervorragenden Produkten.
Gianduja Nougat am Stil mit einem frischen Gurken-Chutney und -Sorbet bildet einen Prolog zum Dessert. Leicht, frisch und unkompliziert.
Beim eigentlichen Dessert frönt Sascha Friedrichs dann erneut seiner großen Detailfreude auf dem Teller: Tobleronemouse, schwarze Johannisbeeren und Johannisbeer-Sorbet, Knisterpulver, Montélimar Nougat und Honigkresse sind hier noch kombiniert mit Mandelbruch, gehobelter Schokolade und wirklich sehr schönem Johannisbeer-Kaviar. Ein tolles Spiel der Komponenten und viel leichte Frische durch die unterschiedlichen Zubereitungen der Johannisbeere.
Das Studio 31 ist eine wirkliche Empfehlung für Zürich – sofern man Glück hat und das Pop-Up geöffnet ist. Sascha Friedrichs experimentiert hier mit aufwändigen Aromen- und Texturkombinationen und erstklassigen Produkten. Durch den steten Wechsel des Menüs kann das Team hier immer wieder frische Ideen testen und unmittelbares Feedback der Gäste einholen.
Interessant ist die Wahl des Namens allemal: Zuvor war Friedrichs in Berlin tätig und führte dort unter der Regie von Tim Raue das Studio.
Le Muh
Swissôtel
Schulstrasse 44
8050 Zürich
Schweiz
E-Mail:contact@lemuh.ch
Telefon: 044 317 31 62