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A. Wong, London – im Dim Sum Himmel

Zwei Michelin-Sterne weisen den Weg zu den besten Dim-Sums in London

Während eines langen und entbehrungsreichen Januars (für mich ein #DryJanuary) hielt ich aufmerksam Ausschau nach meinem ersten genussvollen Restaurantbesuch des Jahres. Und Dank glücklicher Fügung und Buchungsglück, finde ich mich am zweiten Februar im Restaurant A. Wong in London ein. Seitdem der zweite Michelin-Stern das A. Wong zum höchst gerankten chinesischen Restaurants außerhalb Asiens erkoren hat, ist die typische Vorlaufzeit rund sechs Monate. Nachmittags kann hier neben einer Auswahl á la Carte auch das rund um Dim Sums konzipierte Menü “A touch of the heart” genossen werden. Dieses wird ausschließlich mit passender Weinbegleitung angeboten (175£, ca. 195€) – was mir natürlich sehr entgegenkommt. Zunächst starte ich allerdings mit einem Wang Negroni in den frühen Nachmittag.

Die insgesamt fünfzehn kleinen Gänge des Menüs werden anfangs in Kombination serviert. Den Auftakt bilden verschiedenen Dumplings, Dim Sum und Wan Tans. Wobei direkt der “Shanghai steamed dumpling, ginger infused vinegar” eine neue Referenz für Xiao Long Bao offenbart: Hauchdünner Teig ummantelt eine zarte Füllung mit deutlicher Textur im Schweinefleisch und einer kräftigen, ingwerbetonten gelierten Brühe. Tatsächlich wüsste ich nicht, wo man in Europa besserer Xiao Long Baos habhaft werden kann – sachdienliche Hinweise werden aber sehr gerne über die Kommentarfunktion entgegengenommen.

Der “Crispy won ton with sweet chilli jam” bereitet aufgrund seiner Größe leichte Schwierigkeiten in eleganter Handhabung, macht aber mit einer sehr soften und nur leicht gegarten Garnelenfüllung um so mehr Spaß.

Im zweiten Bambuskörbchen findet sich ein “Clear shrimp dumpling, sweet chilli sauce, rice vinegar cloud”, also ein weiterer Klassiker. Hier erneut handwerklich sehr fein umgesetzt, mit einem nahezu komplett transparent dünnen Teig und einer kleinen Wolke aus Reisessig.

Deutlich kräftiger, aber nicht weniger spannend die Umsetzung des “Pork and prawn dumpling, pork crackling”. Wie es sich für diese Form der Dumplings gehört, ist der Teig deutlich schwerer und kompakter. Die knusprige Schweineschwarte obenauf addiert hier eine zusätzliche Textur und macht den Genuss nochmals deutlich eindrucksvoller.

Die hübsch gearbeitete Möhre, der “Rabbit and carrot glutinous puff” empfinde ich dann etwas weniger spannend, insgesamt etwas artifiziell und die Kaninchenfüllung geht etwas unter. Die gepickelte Scheibe der Möhre balanciert die Süße der Kunstmöhre etwas aus. In der chinesischen Küche spielt der Umgang mit unterschiedlichen Texturen und vor allem deren Wechsel, eine große Rolle und entsprechend muss man das in diesem Kontext auch verstehen.

Großartig dann der “999 layered scallop puff with XO oil”, eine in knusprigen Teigfäden ummantelten zarte Jakobsmuschel an einem kräftigen XO Öl, dessen Basis vermutlich ebenfalls getrocknete Jakobsmuschel bildet.

In einem Nest aus Stroh und Entenfedern schweben die “‘Memories of Peking duck’” an meinen Tresenplatz. Die Luxuserinnerungen an die Pekingente kommen ganz klassisch in einen dünnen Pancake gewickelt. Neben der Ente und krosser Entenhaut wurde im Inneren auch noch etwas Foie Gras geschichtet. Obenauf Kaviar auf der einen, eine Scheibe Wintertrüffel auf der anderen Seite, gedacht, um in zwei Bissen mit jeweils einer der beiden Komponenten im Schwerpunkt genossen zu werden. Ein wunderschöner Gang.

Da mir Eingangs nicht bewusst war, dass das Menü bereits mit einer passenden Weinbegleitung kommt, hatte ich mich schon in einen engeren Dialog mit dem Sommelier begeben und einige Riesling-Präferenzen erörtert. Und freundlicherweise wurde hin und wieder neben den regulären Weinen aus der Begleitung noch ein kleines Special eingearbeitet. Auch das kam meinen Vorstellungen für diesen Nachmittag durchaus sehr entgegen.

Der nächste Gang “Won ton with garlic, chilli oil and soy poached yolk” ist nach der sehr eleganten Pekingente eher der klassischen Szechuan-Küche zuzuordnen. Auf einem sehr soften Won Ton findet sich neben einem leicht in Sojasauce gegarten Eigelb viel gerösteter Knoblauch und krosse Chiliflakes. Das ist scharf, heiß, extrem tief und beindruckend lecker und weckt Erinnerungen an ein ganz ähliches (aber noch wesentlich schärferes Gericht), das ich vor einigen Jahren während einer Reise nach Quzhou in der Zhejiang Provinz in China probiert habe. Derlei Assoziationen habe ich bis dato in keinem der hiesigen chinesischen Restaurants gespürt.

Mit “Isle of Mull seared scallop and honey glazed Iberico pork cheung fun” folgt ein weiterer sehr eleganter Gang. Die Cheung Fun Nudel ist hier in ausfrittierter Form der Mantel eines Sandwiches mit Jakobsmuschel und Iberico Schinken. Knusprig, fettig, Umami, toll,

Die “Abalone flaky tart with aged balsamic vinegar” wird am Tisch mit einigen Tropfen altem Balsamicos beträufelt. Die auf den ersten Blick optische Ähnlichkeit zur portugiesischen Pastel de Nata täuscht allerdings ungemein, sowohl im Geschmack, als auch in der Textur. Denn gebettet auf den zarten Teig des Törtchens findet sich hier eine vorsichtig gegarte Abalone, die natürlich trotz aller Umsicht gewohnt „kompakt“ ausfällt.

Auch im nächsten Gang, “The Cantonese kitchen: barbecued pork crackling with prawn, plum and truffles” werden erneut erfreulich dicke Tranchen vom Wintertrüffel verarbeitet. Nur so können sie sich gegen die Kombination aus Schwein, Garnele und Pflaume behaupten.

Beim Gua-Bao-Burger darf man als Gast selbst hand anlegen und die Füllung für den gedämpften Hefe-Bun selbst zusammen stellen. Der “Xian ‘lamb burger’ with sesame, coriander and chilli and Xinjiang pomegranate salad” wird auf einem separaten Teller gereicht und kann ganz nach Präferenz gemischt und abgeschmeckt werden. Koriander und Granatapfel sorgen für eine frische Balance zum intensiven Lamm. Der Bun ist extrem zart und schmiegt sich sanft um die Eigenkreation.

Normalerweise habe ich keine große Schwäche für süße Desserts. Der “Steamed duck yolk custard bun” ist allerdings eine Ausnahme. Außen fluffig, leicht kross angeröstet offenbart er in seinem inneren eine sensationellen, nicht zu süßen Pudding auf Basis von Enteneiern.

Mit einigen weiteren süßen Snacks endet nach knapp drei Stunden mein chinesisches Dim-Sum Lunch im A. Wong. Beeindruckt hat mich natürlich zunächst und allererst die handwerkliche Qualität, die geschmackliche Tiefe und auch die Produktauswahl aller Gänge. Dazu kommt allerdings ein Restauranterlebnis, das man in der Form (und gerade auf einem Zwei-Sterne Niveau) so selten erlebt: Ein gut gelauntes, aufgeschlossenes und extrem entspanntes Serviceteam, dass trotz ausgebuchtem Restaurant immer wieder Zeit für den kurzen oder längeren freundlichen und lustigen Austausch hat. All das sogt für eine sehr entspannte und außergewöhnlich persönliche Atmosphäre – gute Laune ist hier garantiert. Auch außerhalb des Tellers.

Im Verlagshaus Jacoby & Stuart ist bereits 2017 ein sehr schönes Buch von Andrew Wong erschienen, das tiefere Einblick in die authentische Küche Chinas gewährt.

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