Nachdem in den letzen Wochen und Monaten ein großer Teil meiner Restaurantbesuche ausserhalb der Heimat statt fanden, steht der November scheinbar ganz unter hanseatischen Vorzeichen. Und allen Unkenrufe zum Trotz, sind das nicht unbedingt die Schlechtesten. Zumindest nicht, wenn man die Gelegenheit hat, die Küchenwerkstatt zu besuchen.
Seit mehr als 120 Jahren erzählt die alte Stadtvilla am Uhlenhorster Alsterfleet bereits Geschichten. Geschichten über ihre Zeit als Fähr- und Kutscherkneipe, ihre Jahre als gediegenes Restaurant und natürlich über ihre Gäste, zu denen Größen wie Hans Albers und Willi Brandt, Helmut Kohl und Axel Springer, Jack Nicholson und Jil Sander zählten. Seit 2004 werden diese Geschichten unter der Regie von Gerald Zogbaum und Angela Gnade nun als Küchenwerkstatt fortgeführt.
Wir hatten vor wenigen Tagen Gelegenheit das aktuelle Novembermenü (8 Gänge, 109,- EUR) kennen zu lernen. Bereits beim ersten, flüchtigen Blick auf die Karte erkennt man die starken Anklänge an die japanische Küche. Das natürlich nicht ohne Grund. Eine längere Umbau- und Renovierungsphase im Spätsommer nutzte das Gastronomenpaar für intensive Ausflüge in die Kultur und Küche Japans. Insbesondere Kyoto hat es den beiden sehr angetan, wie wir im Laufe des Abends erfahren konnten.
Die japanische Küche begeistert Zogbaum vor allem aufgrund ihrer frischen saisonale Produkte, der Demut gegenüber dem Produkt und dem starken Fokus auf den Erhalt des Eigengeschmacks. Diese Philosophie ähnelt der seinen so sehr, dass er sich auch heute noch damit beschäftigt, wie in Japan Gerichte zubereitet und angerichtet werden. Und obwohl in der Küchenwerkstatt keine japanische Küche angeboten wird, tauchen die in Japan gesammelten Eindrücke immer wieder als Elemente in den Kompositionen auf.
Der zügige Auftakt gelingt vorzüglich. Die Produkte sind hervorragend, die einzelnen Gerichte handwerklich und geschmacklich fabelhaft und auch die Präsentation exzellent. Einige der Teller mit denen gearbeitet wird sind individuell für die Küchenwerkstatt angefertigt und unterstreichen den Anspruch auch in der optischen Wirkung Zeichen zu setzen. Allerdings nicht um für Effekte zu sorgen, sondern im Gegenteil, um Klarheit und Fokus zu schaffen und die einzelnen Elemente eines Ganges zu einem schlüssigen, fast natürlich wirkenden Bild zusammen zu setzen.
Der schlicht unter Zitrusfrüchte firmierende Begleiter des ebenfalls köstlichen Saiblings verdient besondere Erwähnung. Es handelte sich hier um ein Püree von der Cedro Zitrone. Einer eher unscheinbaren Gattung dieser Frucht, die vor allem durch ihren geringen Anteil an Fruchtfleisch und dem dafür überproportionalen großen Teil von Mesokarp bzw. Albedo, also dem weißen Teil zwischen Schale und Fruchtfleisch, auffällt. Und aus eben diesem Albedo wurde besagtes Püree gezaubert. Nicht nur eine kreative Kombination zum Saibling, durch sein intensives Zitronenaroma und die geringere Säure eine fantastische, neue Entdeckung in meinem kulinarischen Kosmos.
Während ein Highlight auf das nächste folgte, blieb auch die Ente besonders im Gedächtnis. Eine fantastische Entenbrust, die, wie Gerald Zogbaum später erläuterte, nach dem Prinzip der Peking-Ente zubereitet wurde. Die besonders krosse und dünne Haut verdankt sie einer weiteren aufwändigen Prozedur: Wechselweise wird sie dazu mit heißem Fett übergossen und anschließend mit Kältespray heruntergekühlt, damit die große äussere Hitze den Garpunkt des Fleisches nicht verschiebt. Ganz ähnlich wie auch in diesen Videos aus dem Ryugin in Tokio beschrieben. Die Mühe lohnt den Aufwand. Auch die Innereien der Ente fanden den Weg auf den Tisch. In Form eines kleinen Ragouts, serviert unter einer cremigen Haube in einem Entenfuß aus Porzellan. Die Kombination aus püriertem Rosenkohl und in Walnussform drapierten Nusspüree war mir in Verbindung mit dem Ragout unter der Cremehaube etwas zu soft, hier hätte ich mir eher ein texturiertes Spiel gewünscht – aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Insgesamt ein toller Gang.
Wenig überraschend wusste auch das gesamte Ensemble aus der Patisserie zu überzeugen, immerhin blickt Gerald Zogbaum auf einige Jahre als Chef Patissier im Hamburger Tafelhaus unter Christian Rach zurück. So schloss das Menü mit einer erneut wunderschönen Präsentation von der Schokolade. Fast wie ein kleiner Ausflug in den spätherbstlichen Wald, sehr rund und angenehmerweise nicht zu süß. Mit Varianten des selbst aus Japan importierten Matcha Tees schloss sich der schon zum Anbeginn des Menüs eingeschlagene Kreis der Anklänge an asiatischen Produkte und Aromen. Die begleitenden Weine, ausgewählt von Restaurantleiter André Peter, wusste ebenfalls durchweg zu gefallen.
Wir hatten im Anschluss an das Presse-Dinner noch ausgiebig Gelegenheit mit Gerald Zogbaum über das neue Menü zu plaudern, interessante kulinarischen Geschichten von der Japanreise zu erfahren und etwas Feedback zu den einzelnen Gängen zu geben. Ein wunderbarer, entspannter Abend mit vielen neuen Eindrücken. Ich freue mich schon auf kommende Besuche – vielleicht auch mal zu einer der angebotenen Kochklassen.
Küchenwerkstatt
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